Johann Friedrich Ernst Albrecht und der historische Roman

Johann Friedrich Ernst Albrecht und der historische Roman. Zugleich ein Beitrag zur Literaturgeschichte der Libussa-Sage. In: Verehrt – Verflucht – Vergessen. Leben und Werk von Sophie Albrecht und Johann Friedrich Ernst Albrecht. Hg. von Rüdiger Schütt. Hannover 2015, 145–188.

Johann Friedrich Ernst Albrecht (1752–1814) gilt dem Fach schon lange nicht mehr als der deutscher Jakobiner, als den ihn Walter Grab vor über einem halben Jahrhundert würdigen wollte. Der vorliegende Beitrag richtet das Augenmerk auf die in größerer Zahl vorliegenden Romane Albrechts, und hier stellvertretend auf „Die Töchter Kroks“ (1792) als historischen Roman über den Libussa-Stoff. Als Albrecht sich diesem Stoff zuwendet, liegen u. a. bereits vier Versionen auf Deutsch vor, Herders Gedicht „Die Fürstentafel“ aus seinen „Volksliedern“, das Schauspiel „Libusse Herzoginn in Böhmen“ von K. F. G. Ritter von Steinsberg, J. K. A. Musäus' „Volksmärchen der Deutschen“ sowie der Roman „Libußa Herzogin von Böhmen“, der heute einem Ludwig Albrecht Schubart zugeschrieben wird, dem Sohn des Autors der „Deutschen Chronik“. Da die Absicht des Beitrags ist, Albrecht in mehrfache Kontexte zu stellen, werden diese Vorgänger vorab präsentiert. Der von Albrecht gewählte Typus des historischen Romans ist der einer fiktionalen Biographie und nicht der des historischen Gesellschaftsromans, wie ihn zur gleichen Zeit Benedikte Naubert pflegt und wie Walter Scott ihn dann weltberühmt machen wird. Albrechts dem historischen Roman eigene Verfahren der Erweiterung, Ergänzung und Einfügung müssen vielmehr in einer langen Tradition der Poetik zur Abfassung historischer Romane verortet werden. In dieser Poetik steht das Konzept der ‚geheimen Geschichte‘ im Mittelpunkt. Am Ende wäre zu resümieren, dass der Roman, wie Albrecht ihn praktiziert, Strukturzüge zeigt, die auf den älteren, den Geschichtsroman des 17. und 18. Jhdts. weisen. Diese Seite am Schriftsteller macht noch einmal mit allem Gewicht deutlich, dass Grabs seinerzeitige Unterstellung von Jakobinertum ein gänzlich abwegiger Gedanke gewesen ist.