Erzählerisch erzeugte Providenz

Erzählerisch erzeugte Providenz. Barocker Horizont und Zeitgeschichte in E. T. A. Hoffmanns Der Zusammenhang der Dinge (1820). In: Romantik. Mythos und Moderne. Hg. von Ulrich Wergin und Timo Ogrzal. Würzburg 2013, 181–211.

Ein weiterer meiner Versuche, E.T.A. Hoffmanns Werk in der Wirklichkeit seiner Zeit zu verorten. Gegenstand der Untersuchung ist Hoffmanns späte (und von der Forschung kaum geschätzte) Erzählung „Der Zusammenhang der Dinge“. Die Handlung dreht sich wesentlich um die Besetzung Spaniens durch das napoleonische Frankreich und den Kampf der Guerilla gegen die Besatzer. Selbst unter den wenigen Fachkollegen, die sich mit dem Werk beschäftigt haben, wird die Titelformel vom ‚Zusammenhang der Dinge‘ fälschlich auf den Materialismus des 18. Jhdts. und die Enzyklopädisten gezogen, vornehmlich J. O. de La Mettrie und P. H. Th. d' Holbach. Das ist schon deswegen wenig wahrscheinlich, weil Hoffmann seinem Protagonisten Ludwig (ein Familienname wird wie bei dem Freund Euchar nicht genannt) als einem angepasst philiströsen jungen Mann nicht gerade eine entschieden atheistische Philosophie beigegeben haben würde, die auch noch am Ende des 18. Jhdts. in einem skandalösen Ruf stand. Die Formel vom ‚Zusammenhang der Dinge‘ ist vielmehr, das unterliegt keinem Zweifel, die Übersetzung des Fachterminus ‚nexus rerum‘ bei Christian Wolff, dessen „Deutsche Metaphysik“ 1720 erstmals publiziert wurde. Das Postulat, dass die Struktur der Welt einen Zusammenhang aller Dinge fordere, der sich zugleich als Vollkommenheit manifestiere, schließt die temporale Dimension ein. Damit aber setzt jede umfassende Erkenntnis ein Verstandesvermögen voraus, welches das menschliche übersteigt. Hier sind die poetologischen Konsequenzen für den Roman abzuleiten. Die Darstellung der an sich alle Erkenntnis übersteigenden Rolle Gottes im ‚Zusammenhang der Dinge‘ wird möglich in Form einer demonstativ extremen Konstruktion, die am Ende das verborgene Zusammenstimmende umso überraschender hervorbringt. Das geschieht hier, indem der ‚ordo naturalis‘ des Handlungsverlaufs in der Erzählung selbst im ‚ordo artificialis‘ geboten wird. – In dieser Erzählung votiert Hoffmann erneut nicht umstandslos gegen Napoleon.