Die DEFA und die Romantik

Die DEFA und die Romantik. Das Fräulein von Scuderi im Spiegel seiner Kon- und Prototexte. In: Gegenwart historisch gesehen. Kultur und Politik 1789–1848 filmisch reflektiert. Redaktion Swenja Schiemann und Erika Wottrich. München 2018 (Ein CineGraph Buch), 110–130.

In den fünfziger Jahren setzte die DEFA, die staatliche Filmgesellschaft der DDR, vorübergehend auf Öffnung gegenüber dem Westen. Aus taktischen Gründen wurde mit einer von einem Münchner Produzenten gegründeten nominell schwedischen Firma kooperiert. In diesem Rahmen kam es zu einer Verfilmung von E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Das Fräulein von Scuderi“, obschon gerade die Romantik im Geschichtsbild der DDR erheblich umstritten war. In der Regie des in Hamburg lebenden Eugen York und mit (der gleichfalls im Westen wohnenden) Henny Porten als Star entstand ein Film, der sich nicht nur auf Hoffmanns Novelle, sondern wesentlich auch auf das dreißig Jahre nach der Erzählung entstandene gleichnamige Drama von Otto Ludwig stützte. So geht die geschlossene Form der filmischen Dramaturgie erkennbar auf das Drama des Realisten zurück. Auch in der thematischen Durchführung unterscheidet sich der Film von Hoffmanns Erzählung. Die Ursprungsgeschichte der Besessenheit des Raubmörders Cardillac ist hier – wie gleichfalls schon bei Ludwig – sozialkritisch motiviert. Besonders deutlich differiert der Film von seiner Vorlage in der Darstellung der Instanzen des Rechts sowie dem Bild der Titelfigur. Während er erstere durchgehend sehr kritisch zeichnet, erscheint das Fräulein von Scuderi, dessen Verhalten in der Novelle, liest man sie sorgfältig, unzweifelhaft in sehr problematischem Licht erscheint, hier als eine ideale Figur im höfischen Kontext. Angesichts des Zusammenwirkens verschiedenster (politischer) Interessen in diesem im übrigen relativ luxuriös produzierten Filmwerk der DDR verwundert es nicht, dass es von der Kritik zwiespältig aufgenommen wurde.