Detektiv Schmidtchen. In: Lexikon der Comics. Hg. von Marcus Czerwionka. 68. Erg.-lieferg. Meitingen 2009, 37 Seiten; 69. Erg.-lieferg. Meitingen 2009, 28 Seiten.
Umfänglichster und sachlich reichhaltigster meiner Beiträge über diesen in den 50er Jahren in der „Bild“-Zeitung des Springer-Verlags erschienenen deutschen Original-Comic (Tagesstrips). „Detektiv Schmidtchen“, nach allgemeiner Auffassung der beste deutsche Zeitungscomic im Stil der US-amerikanischen Abenteuer- und Melodram-dailies, wurde über die gesamte Laufzeit vom 26. April 1954 bis 26. März 1962 von Franz Werner Richter-Johnsen (1912–1993) gezeichnet. Die graphische Machart der Serie unterscheidet sich markant von derjenigen der Mehrzahl unter den zeitgenössischen US-amerikanischen Zeitungscomics. Richter-Johnsens Technik wird fachsprachlich mit dem Begriff ‚Halbtonverfahren‘ bezeichnet (Grauwerte werden hier nicht in Schraffur wiedergegeben). Besonders in seiner letzten Zeit gelingen ihm (auch unter Einsatz von Bleistift) atmosphärisch dichte clair-obscur-Passagen von Hamburger Milieu. Unter den insgesamt 39 Fällen von „Detektiv Schmidtchen“ bezieht sich sich die 15. Episode geradezu spektakulär auf den realen Fall Dr. Müller, der seit dem Frühjahr 1954 Furore in der deutschen Kriminalgeschichte machte. Wie der Zahnarzt Müller hat auch der Dr. Mewes des Comic-Strips sein Auto in Brand gesetzt, nachdem er es so eng neben einem Baum geparkt hatte, dass die allein zurückgebliebene Frau das Fahrzeug nicht mehr verlassen konnte. Beklemmend aus heutiger Sicht ist, wie ein Zeitungscomic in ein schwebendes höchstrichterliches Verfahren (‚Unglück oder Mord‘) eingegriffen und, wohl der ‚vox populi‘ folgend, Mord als ein bewiesenes Faktum präsentiert hat. Nicht weniger als dreimal haben wir es mit der Herstellung von Falschgeld zu tun, das so kurz nach der Währungsreform gewiss auch ein aktuelles Thema war. Eine frühe Episode, die sechste, thematisiert den ‚Mädchenhandel‘ in den Orient, dreimal ist der Drogenhandel Gegenstand krimineller Machenschaften. Eng an zeitgenössische Vorgänge hält sich der Comic auch mit dem Thema der Fälschung von Gemälden, das seinerzeit mit dem Namen Lothar Malskat verknüpft war, der im Chor der Lübecker Marienkirche gotische Fresken nicht restauriert, sondern selbst erfunden und neu gemalt hatte. Zu nennen ist noch die 1958 erschienene Episode 28, die 1951, als sie sich in der bremischen Wirklichkeit ereignete, zudem in das berufliche Feld des Zeichners Richter-Johnsen eingegriffen hatte. Der Fall des Bombenattentäters Erich von Halacz wurde, weil man weitreichende politische Hintergründe vermutete, von verschiedenen Geheimdiensten observiert und sogar im Kabinett der Bundesregierung behandelt. Halacz hatte drei Paketbomben an Zeitungsverlage und Journalisten versandt und damit Butbäder angerichtet; die Kriminalpolizei beauftragte Richter-Johnsen, der damals bei jenem Blatt angestellt war, dessen Chefredakteur gleichfalls ums Leben gekommen war, mit der Anfertigung eines Phantombildes nach vorliegenden Zeugenbeschreibungen. Durch dieses seinerzeit erst und nur in den USA gebräuchliche Fahndungsverfahren gelang es tatsächlich, Halacz zu überführen. Als der Fall sieben Jahre später „Detektiv Schmidtchen“ unterkommt, heißt der Verbrecher Vakosch, und es gibt nur mehr Verletzte, keine Toten. Schließlich, und um den Überblick abzuschließen, behandelt die Serie auch die zeitgenössische Erörterung jugendlicher Delinquenz, wie sie sich seinerzeit etwa in der Illustrierten „Revue“ spiegelte, die 1955 mit dem Thema groß herausgekommen war.
Ein chronologisches Verzeichnis der Episoden mit bibliographischen Angaben zu den Erst- und den Nachdrucken sowie analytischen Inhaltsreferaten findet sich in der 69. Erg.-Lfg. des Lexikons März 2009, S. 1–28.